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Gouffre de Padirac
Maison Forte de Reignac
La Madeleine
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Eine kühle und stille Welt: die ältesten Sehenswürdigkeiten des Périgord

Wasser und Kalk, Tropfstein und die Höhlen von Lascaux: Hier im Périgord, unter diesem wunderbaren, von der Natur und vom Klima so offensichtlich verwöhnten und mit Kulturschätzen aller Art reich gesegneten Terrain, verbirgt sich im Fels und in der Tiefe eine stille, kühle und ganz andere Welt, in die man hinuntersteigen kann: die der unterirdischen Höhlensysteme, Schluchten und Klüfte, der dunklen Wasserläufe und schimmernden Seen.

Die historische Provinz Périgord – die seit der französischen Revolution Département Dordogne heißt – ist eine ländliche Region der mittelalterlichen Dörfer und Bastiden, der Burgen, Châteaus und schönen Gärten, mit Wanderwegen oder idyllischen Flussschleifen zum Paddeln oder für einen Ausflug auf einem typischen Gabarre-Flusskahn. Man erfreut sich im Urlaub an den Spezialitäten für Gourmets und Gourmands, an Trüffelprodukten, feinen Ölen, Foie Gras; oder an den Weinen der Region – Bergerac, Pecharmant, Monbazillac, Saussignac…

Aber hier – unter diesem wunderbaren, von der Natur und vom Klima so offensichtlich verwöhnten und mit Kulturschätzen aller Art reich gesegneten Terrain – verbirgt sich in der Tiefe eine stille, kühle und ganz andere Welt, die in eine sehr ferne Vergangenheit führt: eine Szenerie der unterirdischen Höhlensysteme, Schluchten und Klüfte, der dunklen Wasserläufe und schimmernden Seen. Auf französisch ausgedrückt eine Landschaft der „grottes“ (Grotten oder Tropfsteinhöhlen) und „gouffres“ oder „abîmes“ (Abgründe).

In den Felsen des Périgord überdauern außerdem die Gemäldegalerien der Vorgeschichte, Kunstwerkstätten von Vorfahren des heutigen Menschen, die vor zehntausenden von Jahren schon Bilder hinterließen, aber keine Schriftzeichen. Und in zerlöcherten Felswänden, in Halbhöhlen und unter Überhängen lebte die Bevölkerung während der Steinzeit und während der Eiszeiten, dort verschanzten sich Menschen im Mittelalter oder sie siedelten dort sogar bis „kurz vor heute“: als „Troglodyten“ (Höhlenbewohner) in den „abris“ (in „Schutzräumen“).

Solche morphologischen Formen im Gestein konnten im Laufe von Jahrmillionen in mächtigen Kalk- und Dolomit-Gesteinsschichten entstehen. Während des Prozesses der Verkarstung sickerte von oben Regenwasser in Risse und Scherflächen ein, löste das Kalkgestein chemisch an und lagerte die Substanzen tief unten in Tropfsteingebilden wieder ab. Und die Erosion zerstörte weiche, poröse Zwischenlagen und hinterließ stattdessen horizontale, terrassenartige Hohlräume.

Das alles kann man sich im „Périgord Noir“ ausführlich anschauen. Besonders im südlichen Vézère-Tal und seinen Nebentälern (Beune-Täler) folgt hier in den Sedimentgesteinen des geologischen Kreidezeitalters (vor etwa 85 Millionen Jahren) oft eine Höhle auf die andere. Auch weiter südlich und östlich gibt es Höhlen, z. B. im Département Lot, in der Kalkstein-Hochebene „Causses de Quercy“. Die „causses“ sind eine steinige, karge und baumlose Karst-Landschaftsform und generell sehr typisch für das südliche Frankreich (z. B. im Hérault, Lot, Aveyron, Tarn-et-Garonne, Lozère, in den Cevennen).

TROPFSTEINHÖHLEN
Gouffre de Padirac: Fahrstuhl in die Tiefe
Gouffre de Padirac: Fahrstuhl in die Tiefe

Der Gouffre de Padirac (Causses de Gramat im Département Lot): In der Nähe von Rocamadour klafft ein riesiges, 75 m tiefes Loch im Boden, ein wahrer „Gouffre“ – ein Abgrund. Dieser „Höllenschlund“ dient aber nur als Einstieg (mit Treppen und Aufzügen) zu einem Höhlensystem (einem der spektakulärsten Frankreichs) in 100 m Tiefe, von dem man 1,5 km besichtigen kann. Fußwege, viele Treppenstufen und eine stille Bootsfahrt in einem Stocherkahn mit Guide führen bei kühlen 13° C durch eine fantastische zerklüftete Unterwelt, durch „Galerien“ mit unwirklichen gigantischen Tropfsteinformationen aller Art und mit leuchtend grünblau schimmernden Wasserbecken. Im Herzen des 94 m hohen „Salle du Grand Dôme“ führen weitere Treppen durch diesen eindrucksvollen „Felsengarten“ und der Weg ist hier für alle normalen Besucher zu Ende – die weiteren 19 km, die der Fluss noch unterirdisch zurücklegt, bis er endlich am Flussufer der Dordogne zu Tage tritt, sind ausschließlich Wissenschaftlern vorbehalten, die bei ihren Exkursionen auch Tauchgänge durch enge Siphons absolvieren müssen.

Der Gouffre de Proumeyssac zwischen Audrix und Le Bugue (Département Dordogne) ist eine 50 m tiefe Tropfstein-Kuppel, die auch „Kathedrale aus Kristall“ genannt wird und durch die man von oben in einer rotierenden Gondel langsam einschweben kann (oder man benutzt den Fußgängertunnel). Sie ist das größte unterirdische Gewölbe des Périgord mit feinsten und sehr langen Kalzitfäden, Kalkgirlanden, -vorhängen und -kaskaden, Medusen oder „Riesenquallen“ mit Tentakeln – die meisten Tropfsteine sind mit Worten aber schwer zu beschreiben. In dieser Schauhöhle mit „son et lumière“ stehen im Tropfenregen am Boden – doch tatsächlich einige neuere Metallregale mit Vasen und Figürchen, die hier einen natürlichen Kalküberzug erhalten sollen, zum späteren Verkauf in der Boutique!

Sogar direkt unter einem Dorf mit dem Namen Domme gibt es Grotten! Über der Erde ist Domme im Périgord eines der „plus beaux villages de France“, also eines der „schönsten Dörfer Frankreichs“. Es ist das beste Beispiel für eine mittelalterliche „Bastide“ – also für ein strategisch geplantes, in einem Stück zügig erbautes, „künstliches“ Wehrdorf aus dem 13. Jhdt. (im Gegensatz zu den langsam gewachsenen Ortschaften). Ganz im Gegensatz zu anderen Bastiden (Montpazier, Lalinde, Eymet, Villefranche du Périgord) steht Domme oben auf einem 150 m hohen Felsenufer mit großartiger Aussicht über das Dordognetal. Aber der Ort ist unterhöhlt, was erst 1912 entdeckt wurde! Die Häuser und Gärten stehen auf den Tropfsteinhöhlen der Grottes de Domme – auf einem unterirdischen Labyrinth von Gängen und Sälen mit über 450 Metern Länge, auf einer leise vor sich hin tropfenden Wunderwelt. Bei der Markhalle am Hauptplatz steigt man hinab, und mit einem gläsernen Panoramaaufzug fährt man außen an der Felswand wieder hoch, zurück ans Tageslicht.

Ganz anders als die bereits sehr lange bekannten „Gouffres“ wie Padirac, Proumeyssac oder die Grotten Grand Roc oder Domme, in denen es schon seit Anfang 1900 oder zumindest seit 1950 einen echten „Höhlentourismus“ gab, wurden die Grottes de Maxange erst im Jahr 2000 zufällig unter einem Steinbruch entdeckt. Nach reiflicher wirtschaftlicher Abwägung wurde dann beschlossen, den Abbau im Familienbetrieb stillzulegen, zugunsten einer Erschließung für Besucher (2003). Der Besitzer erzählt in einem Interview, wie den vier Speläologen bei einer Erstbegehung erst einmal Freudentränen in die Augen stiegen, angesichts der wunderbaren Neuentdeckung. Maxange ist nämlich angefüllt mit einer speziellen, seltenen Tropfsteinart, die auf besondere Art und Weise entsteht: das sind die „Exzentriques“ genannten, sehr kleinen, feinen und zart durchscheinenden Kristallbüschel, -nadeln und -figuren, die entgegen der Schwerkraft nicht nach unten, sondern von Kapillarkräften gesteuert wirr in alle Richtungen wachsen.

Es gibt viele weitere Tropfsteinhöhlen in der Region – und keine gleicht der anderen.

Z. B. die Grotte de Grand Roc (bei Tayac), die auch für eine seltene Auskristallisierungsform bekannt ist – für sogenannte „Triangles“.

Oder die Grottes de Lacave (am Fluss Dordogne im Dpt. Lot) mit einer 400 m langen unterirdischen Zugstrecke.

PRÄHISTORISCHE KUNST
Besucherzentrum Lascaux
Besucherzentrum Lascaux

Doch gibt es eine Höhle im Vézère-Tal, die so berühmt ist, dass sie all diese reinen Naturwunder in den Schatten stellt: die Grotte de Lascaux. Sie gilt als eine der größten prähistorischen Entdeckungen überhaupt, mit Höhlenmalereien, wie sie die Welt zuvor nicht kannte, und die die Welt zur Zeit ihrer Entdeckung (1940) unseren frühen Vorfahren auch niemals zugetraut hätte. Die Felsenbilder stammen von Cro-Magnon-Menschen aus der Jungsteinzeit, wahrscheinlich aus dem „Solutréen“ vor etwa 18.000 Jahren, lebendige plastische Darstellungen von etwa 600 Tieren: Pferden, Hirschen, Auerochsen, Steinböcken, Bisons, Bären, Katzen, einem Rhinozeros oder Einhorn – und einer Menschenfigur. Picasso hat sie 1940 noch in gutem Zustand besichtigt, und er soll spontan gesagt haben „… wir haben nichts dazugelernt“! Im Jahr 1940 von vier Jungen und einem Hund (namens „Robot“) entdeckt, 1948 für Besucher geöffnet und dann 1963 vom Kultusministerium notgedrungen wieder zugesperrt – das war am Ende die einzige Lösung für Lascaux. Die Bilder, die schon fast 20.000 Jahre überstanden hatten, wurden jetzt auf einmal von der Atemluft und dem Kohlendioxid der hereinbrechenden Besuchermassen angegriffen (die „grüne“ Krankheit: Algen, Schimmel, Pilze, Bakterien und die „weiße“ Krankheit: ein neuer Kristallfilm, und noch dazu schwarze Flecken). Deshalb wurde 1983 daneben ein Lascaux II eröffnet: es wurde in den Originalhügel eingegraben und ist ein bis ins kleinste Detail originalgetreues Faksimile von zwei der wichtigsten Höhlensäle, dem „Saal der Stiere“ und dem „axialen Seitengang“, und es zeigt etwa 90% der Darstellungen, nachgemalt mit den echten Naturfarben. Lascaux III ist eine mobile Version für temporäre Wanderausstellungen. Und Lascaux IV ist das große, allumfassende ultramoderne Museum der Architekten von SNØHETTA (2016) mit einer weiteren und noch viel exakteren, vollständigeren 3D-Nachbildung der Originalhöhle, mit echter gedämpfter Höhlenatmosphäre und 13°C, mit 3D-Kino, Animationen und Interpretationen. Hier erfährt man dann wirklich alles über das „echte“ Lascaux, das ja kaum 200 m entfernt ist, aber nahezu unsichtbar bleibt.

Das Schicksal, wegen der Gefährdung für die empfindlichen prähistorischen Kunstwerke wieder geschlossen zu werden, haben viele Höhlen geteilt, wie zum Beispiel die Grotte de Cussac, die auch das „Lascaux der Felsgravuren“ genannt wird (bei Cadouin, im Jahr 2000 entdeckt; mit mehreren hundert Felsgravierungen, die bis zu 29.000 Jahre alt sind, u.a. Mammute und Nashörner).

Es gibt aber viele andere Bilderhöhlen, die für Besucher geöffnet sind, und in denen man sowohl Felsmalereien als auch Gravierungen bzw. Petroglyphen betrachten kann:

Die Grottes de Cougnac etwa 20 km südöstlich von Sarlat-la-Caneda: zwei verbundene Höhlen, deren Bilddarstellungen vor 30.000 bis 14.000 Jahren entstanden sind. Damit gehört die Kunst von Cougnac zu den ältesten figurativen Höhlenbildern, die der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Oder im Nord-Périgord bei Brantôme die Grotte de Villars. Sowohl Tropfsteingalerien sind hier zu sehen als auch prähistorische Felsenbilder – z. B. ein „blaues Pferd“.

Die Grotte de Rouffignac, in die man an Bord eines kleinen elektrischen Zuges unterirdisch zwei Streckenkilometer hineinfährt. Sie heißt auch „die Höhle der hundert Mammute“. An Wandfriesen und Deckenflächen sind über hundert Mammutfiguren, aber auch Nashörner, Bisons, Pferde u. s. w. in Felsritzungen und in schwarzen Strich-Zeichnungen dargestellt, die aus dem Magdalénien vor etwa 15.000 Jahren stammen. Tropfsteine gibt es hier auch!

Bei Tayac in den Gorges d’Enfer: der Abri du Poisson mit einem berühmten Fisch-Relief – einem Lachs – bei dem es sich vielleicht um die älteste Fischdarstellung der Welt handelt. Sie ist etwa 25.000 Jahre alt – und es hat bereits jemand versucht, sie abzumontieren und zu stehlen; ohne Erfolg, aber man sieht es heute noch an den kleinen Bohrlöchern.

Im Beune-Tal: nah beieinander die Grottes des Combarelles und Font-de-Gaume mit mehr als 800 gemalten und mehr als 200 gravierten Tierdarstellungen, und der Abri de Cap Blanc mit einem etwa 13 m langen Skulpturenfries.

MUSEEN
Musée National de Préhistoire, Les Eyzies
Musée National de Préhistoire, Les Eyzies

Das Vézère-Tal ist das Gebiet Westeuropas mit der dichtesten Konzentration an prähistorischen Fundstätten, vorzeitlichen Bilder- und Wohnhöhlen und Siedlungsplätzen (fast 150). Viele davon gehören zum UNESCO Weltkulturerbe. Mittendrin ist der Ort Les Eyzies-de-Tayac zu einem wichtigen Vorgeschichts-Zentrum geworden. Ein Besuch im modernen Interpretationszentrum (Pôle international de la préhistoire, 2010) kann sehr dabei behilflich sein, sich einen ersten Überblick zu verschaffen über die wissenschaftliche Bedeutung dieser außerordentlichen Region, über all die Fundorte, die man besuchen kann, und über aktuelle Veranstaltungen.

Das Nationalmuseum für Vorgeschichte, das Musée National de Préhistoire ist genau passend zum Thema in Les Eyzies in den Felsen hineingebaut. Es handelt sich um ein altes Schloss mit einem zeitgenössischen Anbau von 2004. Das Museum enthält eine immense Sammlung prähistorischer Objekte der Umgebung aus 400.000 Jahren, unter anderem lebensgroße Modelle der damaligen Menschen und der Tiere aus den Höhlenbildern – Wollhaarmammut, Riesenhirsch und viele andere; oder prähistorische Fettlampen, die vor 20.000 Jahren als Beleuchtung dienten… Das Wahrzeichen von Les Eyzies ist ein wuchtiger Urmensch aus Stein, der Homme primitif, eine Statue, an der der Bildhauer Paul Dardé 7 Jahren lang gearbeitet hat. Er steht seit 1931 bis heute draußen auf der Terrasse über dem Museum, als ob er Ausschau über das Vezère-Tal hielte.

Im Museum Abri Cro-Magnon erfährt man in Holographien und mittels interaktiver Museumstechnik vieles über die Cro-Magon-Menschen; der Abri ist genau dort, wo 1868 die allerersten Spuren dieses frühen Homo sapiens gefunden wurden.

Das Museum Abri Pataud – die Pataud-Schutzhütte – befindet sich genau über der archäologischen Fundstätte dieses Namens. Treppen führen den Besucher an den einzelnen wichtigen Bodenschichten vorbei. Dabei werden das stratigraphische Prinzip und die Einordnung von Fundstücken anschaulich erklärt.

Der Parc du Thot (bei Thonac) ist sozusagen der Tierpark zu Lascaux. Hier geht es in der Theorie, in 3D und „Augmented Reality“ um die prähistorischen Tiere, die schon lange ausgestorbenen sind, und live um ihre übriggebliebenen Nachfahren. Deshalb leben hier Wölfe, Bisons, auerochs-ähnliche Rinder, zottelige Highland-Rinder, Przewalski-Urwildpferde und Pferde, die dem ausgestorbenen Tarpanwildpferd ähnlich sind. Für Kinder natürlich sehr spannend (z. B. höhlenmalen und Feuerstein-Bearbeitung in Workshops…)!

HÖHLENBEWOHNER – TROGLODYTEN

Die Jäger und Sammler in prähistorischer Zeit nutzten das reiche Höhlen-Angebot als Unterschlupf und Behausung; später im Mittelalter, als normannische Invasoren, Plünderer und Räuber im Périgord wüteten und Furcht und Schrecken verbreiteten, während des 100jährigen Krieges oder während der Religionskriege flohen viele Menschen aus den normalen Dörfern in die Felsenhöhlen. Oben in den steilen Felswänden, die für das Dordogne-Gebiet so charakteristisch sind, lebten sie als Troglodyten in Löchern und Etagen, die sie befestigten, zumauerten und ausbauten. Falls Sie bereits einmal Höhlenarchitektur bzw. troglodytische Stätten kennengelernt haben, wie z. B. im Loire-Tal, an der Gironde, in Mittelengland (Kinver Edge), in Süditalien (das berühmte Matera), in der Türkei (Kappadokien) oder in Australien (Coober Pedy) – so etwas gibt es hier auch, und als Tourist kann man sich mit etwas Fantasie ausmalen, wie sich ein Leben darin angefühlt haben muss.

Was für ein geschütztes, schönes Fleckchen Erde es damals gewesen sein muss – und immer noch ist – zeigt der lauschige kleine Waldspaziergang, der nach La Madeleine führt, in eine troglodytische Felsensiedlung an der Vézère (gegenüber von Tursac). La Madeleine ist eine sogenannte „Typlokalität“, d. h. mit der riesigen Menge an Funden von hier konnten Archäologen die jungpaläolithische Epoche des Magdalénien festlegen. Berühmte Objekte sind das Grab des Magdalenen-Kindes mit Schmuck aus hunderten von Muschelanhängern, ein Bison-Bild, oder eine Mammut-Gravur in Elfenbein. Am lebendigsten kann Ihnen das einer der passionierten Guides von La Madeleine vermitteln und auch all das erklären, was man nicht direkt sehen kann. Dafür werden regelmäßige Führungen durch die Höhlenbauten und die kleine Ausstellung angeboten. Es gibt auch einen Medizinkräuter-Garten, seit 2021 neue Bienenstöcke und eine kleine Tier-Farm. Und mit Theateraufführungen oder handwerklichen Workshops ist ja außerdem einiges los und es wird für Unterhaltung gesorgt in La Madeleine.

Maison Forte de Reignac, Treppenaufgang im Haus
Maison Forte de Reignac, Treppenaufgang im Haus

Im Maison Forte de Reignac braucht man eigentlich keine Fantasie mehr – es ist alles da, rekonstruiert und eingerichtet: eine troglodytische mittelalterliche Festung (15. Jhdt.) mit 20.000 Jahre alten prähistorischen Wurzeln, die bis ins 20. Jhdt. bewohnt war. Die massive Burgfassade klebt außen am Fels, dahinter liegen im Gestein die Innenräume auf mehreren Stockwerken, sie sind komplett und nobel möbliert: Esszimmer, Küche, Schafräume, Kapelle, Ehrensaal mit Ritterrüstungen, Waffensaal, Kerker (der Teil mit dem Thema „Inquisition“ ist aber für Kinder nicht geeignet).

Die alten gelblichen Natursteinhäuser mit ihren Lauze-Dächern des Dorfes La Roque-Gageac wurden auf engstem Raum zwischen das Dordogne-Ufer und eine hohe, steile Felswand gezwängt – es ist ein weiterer bildhübscher Ort aus dem Kreis der „schönsten Dörfer Frankreichs“. Zu diesem Prädikat trägt auch bei, dass oben im Dorf wegen der günstigen Süd-Ausrichtung eine duftende, grüne Oase mit vielen mediterranen und tropischen Pflanzenarten entstanden ist, u. a. mit Bananenstauden, Apfelsinen- und Zitronenbäumen, Bambus, Oliven- und Feigenbäumen, Riesenkakteen… worum es jedoch hier geht: noch weiter oben stecken die Etagen – oder besser die „Ruinen“ – einer alten troglodytischen Festung im Felsen, die im 18 Jhdt. geschleift wurde und dann immer mehr zusammengebrochen war. Nach umfangreichen Konsolidierungs- und Sanierungsarbeiten ist sie aber seit dem Sommer 2020 nach langer Zeit wieder begehbar. Über eine lange hohe Treppe steigt man hinauf für einen Rundgang durch das massiv abgestützte, luftige Ausstellungsgelände mit einem überwältigenden Panoramablick, wo man sich an vielen modernen, steingrauen Informationssäulen die interessante Geschichte des Dorfes und seiner Einwohner durchlesen kann.

Noch ein Paradebeispiel: die Fels-Etagen von Roque Saint-Christophe – hier wohnte im Mittelalter ein ganzes Dorf mit 1.500 Einwohnern auf 5 Stockwerken und mit einem eigenen Hafen. Man kann über Treppen und durch die Galerien spazieren, die fast 1 km lang sind und bis in 80 m Höhe führen. Die Besiedlung ging durch Steinzeit, Bronze- und Eisenzeit hindurch und endete im 16. Jhdt. Unter anderem sind viele rekonstruierte mittelalterliche Baumaschinen und Verteidigungsanlagen zu sehen.

Und noch ein mittelalterliches „schönstes Dorf Frankreichs“ hat eine geheime, spektakuläre Unterwelt: der Ort Belvès! Direkt unter der Markthalle von Belvès wird heute durch 8 Wohnräume in 6 Metern Tiefe ein geführter Rundgang angeboten. Diese Höhlenwohnungen – die Maisons troglodytiques de Belvès – wurden im Mittelalter von Bauern und ärmeren Leuten bewohnt – man kann dort unten z. B. eine Walnuss-Ölpresse, eine Töpferei, Feuerstellen, Kamine und Tierställe sehen.

Eingang zum troglodytischen Kloster in Brantôme
Eingang zum troglodytischen Kloster in Brantôme

Auch ein troglodytisches Kloster hat es gegeben. Im nördlichen Périgord, in Brântome, befinden sich die troglodytischen Überreste einer ersten Besiedelung und der Ursprünge einer Benediktinerabtei aus dem 8. Jhdt. in alten Felsenräumen, die zeitweise auch als Steinbrüche gedient haben. Die Höhlen werden halb verdeckt von der Abtei Saint-Pierre de Brântome. In der größten Höhle, die man sich alleine anschauen kann oder als Teilnehmer einer Führung, liegt im Halbdunkel ein monumentales Relief des Jüngsten Gerichtes aus dem 15. Jhdt.; daneben in einer kleineren Höhle sprudelt ein heiliger Brunnen, die Fontaine Saint-Sicaire, unter einigen Skulpturen. Das sieht abends, wenn alles festlich erleuchtet ist, ganz besonders schön aus. Einmal abgesehen davon ist Brantôme auch ein attraktiver kleiner Ort und ein sehr gutes Etappenziel mit einem sehr schönen Hotel, gelegen auf einer Insel in den Flussschleifen der Dronne; mit all seinen Brücken und Uferterrassen am Wasser wird es auch das kleine „Venedig des Périgord“ genannt.

FASZINATION UND VERANSTALTUNGEN

Die Faszination ist groß, und entsprechend hoch sind auch die Besucherzahlen in den Höhlen: insgesamt über 4 Millionen pro Jahr in Frankreich, in Padirac 500.000, La Roque Saint-Christophe über 150.000, in der Grotte de Rouffignac 60.000 jährlich; Lascaux II hatte fast 10 Millionen Besucher seit seiner Eröffnung 1983.

Die abenteuerliche, gefährliche Erschließung neuer Höhlen ging in Europa etwa ab Mitte des 19. Jhdt. richtig los. In Frankreich gibt es davon besonders viele – etwa 15.000 Höhlen – die meisten liegen südlich einer Linie von Basel bis Bordeaux, bis zum Mittelmeer und zu den Pyrenäen. Édouard-Alfred Martel (1859-1938) – ein Franzose – gilt als der Begründer der wissenschaftlichen Höhlenkunde. 1889 hat er sich entschieden, die Höhlen von Padirac, sein Lebensprojekt, genau zu erforschen, zu kaufen und so auszustatten, dass sie von möglichst vielen Menschen besucht werden können. Sein Ziel neben den speläologischen Forschungsarbeiten war es auch, einer breiten Öffentlichkeit das Wissen über diese unterirdische Welt zu vermitteln – also auch über die Existenz dieser empfindlichen lichtlosen Ökosysteme, in denen es nur wenige und meist sehr kleine Lebensformen (Troglobionten) gibt – wie spezielle Insekten, winzige Krebse, Skorpione, Grottenolme. Ohne oberirdischen Gewässerschutz geht es auch nicht, das musste Martel in Padirac am eigenen Leib feststellen, als er sich mit Höhlenwasser vergiftet hatte, das von einer versteckten oberirdischen Tierkadaver-Deponie kontaminiert war.

Was früher die ausschließliche Angelegenheit von wirklichen Abenteurern und Entdeckern war, und wo früher ein unglaublicher Aufwand an Material, Beleuchtung und Kletterausrüstung benötigt wurde, ist heute der Besuch einer Schauhöhle für alle möglich, und zwar gefahrlos und recht bequem (mit gutem Schuhwerk natürlich). Keiner verirrt sich mehr, stürzt ab, rutscht in eine Felsspalte oder kentert im Dunkeln und ertrinkt. Man muss keine gefährlichen Hindernisse überwinden oder durch einen Siphon tauchen. In manche Höhlen kann man auch mit Kinderwagen hinein; es gibt gute Wege, Aufzüge, Schwebegondeln, Boote und sogar kleine Elektro-Bahnen, feste Geländer und gute Beleuchtung. Infrastruktur und Sicherheit für die Besucher werden auch weiterhin verbessert, und neue Höhlen werden eröffnet. So zum Beispiel wurden in den Grotten von Domme 6 Monate lang (2020/21) enge, niedrige Durchgänge oder unregelmäßige Treppenstufen mit Mikro-Sprengungen und immensen Erdbewegungen umgebaut; alles wurde höher, breiter und schöner, auch durch eine komplette neue LED-Beleuchtungsinstallation. Als besonderes Erlebnis wird in der Grotte de Grand Roc eine nächtliche Führung mit einer Sturmlampe für jeden angeboten, oder eine „son et lumière“-Show mit speziellen Lichteffekten, was ein tolles Erlebnis ist (z. B. in der Proumeyssac-Höhle). In Proumeyssac können Besucher auch selbst zu einer guten Ökobilanz beitragen, indem sie nach der Führung kräftig in die Radpedale treten und dadurch Strom erzeugen, was sich dann „eco-visite“ nennt. Auch unterirdische Konzerte (Jazz, A-Capella Chor, Chansons) finden statt (Grotte de Lacave, Padirac). Auf jeden Fall gibt es ständig etwas Neues zu entdecken in der stillen, kühlen Unterwelt des Périgord!

BÜCHER UND FILME:

„Eine Welt in den Händen“ von Maylies de Kerangal (2019): ein Roman über die Zweifel einer jungen Restauratorin während ihrer Arbeit an den Reproduktionen der Lascaux-Höhle

„La Chamane de Lascaux“ von Sophie Marvaud (französisch, erscheint Februar 2022): ein prähistorischer Krimi, der sich vor etwa 15.000 Jahren abspielt, über die Probleme des Lebens und Überlebens eines Familien-Clans von Jägern und Sammlern im Vézère-Tal

„Schatten an der Wand“ von Martin Walker (deutsch 2012): ein Périgord-Roman und -Krimi um ein rätselhaftes, bisher unbekanntes prähistorisches Kunstwerk

„Revanche“ von Martin Walker (2018): ein Bruno-Périgord-Krimi (Fall 10), in dem es um die Burg Commarque, die Tempelritter und einen Show-Down mit großer Schießerei im Nationalmuseum in Les Eyzies geht

„Tête-à-tête“ von Martin Walker (erscheint April 2022): der zukünftige, neueste Bruno-Périgord-Krimi (Fall 14), in dem die wissenschaftliche Rekonstruktion von Skeletten im Nationalmuseum Les Eyzies eine wichtige Rolle spielt – bei der Aufklärung eines neuen Mordfalles

„Die Höhle der vergessenen Träume“, ein außergewöhnlicher Dokumentarfilm von Werner Herzog (2010): nicht über Lascaux, sondern über die Chauvet-Höhlen im Ardèche

„Lascaux – prähistorische Kunst in der Höhle“, Film, Regie Alain Jaubert (2012): aus der arte-edition über die größten Werke der Kunstgeschichte

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